Lichtinstallation von Dan Flavin wird abgeschaltet
Eine visionäre Erscheinung im Stadtbild
Die ikonische Lichtinstallation von Dan Flavin am Hamburger Bahnhof in Berlin wird abgeschaltet. – Dan Flavin ist es 1996 mit Licht gelungen, dem prachtvollen Bahnhofsgebäude des Spätklassizismus der 1840er Jahre eine futuristische Anmutung zu geben. Auch wenn Bahnhöfe im 19. Jahrhundert als Kathedralen des Industriezeitalters gefeiert wurden, so hat die Lichtinstallation von Dan Flavin aus dem historischen Bahnhof bis heute einen visuellen Mythos gemacht. Aus handelsüblichen Leuchtröhren konzipierte der US-amerikanische Vertreter der Minimal Art eine sphärische Lichtatmosphäre, hinter der die pompöse Architektur in eine immaterielle Aura eintritt.
Ist das Kunstwerk von Dan Flavin ein Stromfresser?
Der brutale russische Angriffskrieg gegen die Ukraine löst nun eine globale Energiekrise aus und weltweit muss Energie gespart werden. Damit ändert sich der Blick auch auf Kunst und Museen. Alles was Strom braucht und leuchtet, deutet darauf hin, dass eine kostbare Ressource genutzt wird. Der Fokus richtet sich besonders kritisch gegen Lichtkunst.
Ein Zeichen setzen
Nun hat Till Fellrath, einer der beiden Direktoren des Hamburger Bahnhofs in Berlin angekündigt, die Lichtinstallation „Untitled“ von Dan Flavin abzuschalten. Seit der Eröffnung des Museums 1996 wurde die Fassade und ein Seitenflügel des historischen Gebäudes kontinuierlich in blaues und grünes Licht taucht. Bis voraussichtlich März 2023 soll das Gebäude nun nachts im Dunkeln verschwinden. Till Fellrath erklärt, dass die Maßnahme „eine substanzielle Einsparung beim Energieverbrauch“ bedeute. Außerdem priorisiere man damit „die aktuellen und geplanten Sonderausstellungen gegenüber einem ortspezifischen Werk, das nunmehr seit 26 Jahren ununterbrochen zu sehen war.“ Neben diesen pragmatischen Überlegungen sei das Ausschalten jedoch auch ein Versuch, ein „im öffentlichen Raum sichtbares Zeichen zu setzen“. An erster Stelle gehe es um „Nachhaltigkeit im Allgemeinen“, aber auch, um „die schwierigen Bedingungen, in denen Kulturinstitutionen ihre Rolle für die Öffentlichkeit und als Bildungseinrichtungen für die Gesellschaft grade auch in Krisenzeiten leisten und vor allem aufrecht erhalten müssen.“
Energie zu sparen ist ein Ziel der Museen
Schon in Zeiten der Pandemie war Kunst als „nicht systemrelevant“ eingestuft worden und nun ist es wieder die Kunst, die zurückstehen soll? Lichtkunst wird derzeit besonders argwöhnisch beäugt und fordert Rechtfertigung – auch wenn Industrieanlagen die ganze Nacht mit grellem Flutlicht bestahlt werden oder gigantische Werbetafeln an der Autobahn schrill überdimensional angestrahlt werden?
Die Museen stellen seit über 10 Jahren im großen Stil auf LED-Beleuchtung um und sparen enorme Mengen an Strom. Sie setzen Solarpaneele auf ihren Dächern ein. Lichtkunst braucht überhaupt keine stabilen Temperatur- und Luftfeuchtigkeitswerte im Museum wie Gemälde oder andere organische Materialien.
Dass die Diskussion um einzelne Werke nicht die grundsätzlicheren Fragen nach Nachhaltigkeit in Kunsthäusern überlagern dürfe, erklärt der Konservierungswissenschaftler Stefan Simon, Direktor des Rathgen Forschungslabors, das auch die Staatlichen Museen zu Berlin in Hinsicht auf Energiebilanzen und klimapolitische Maßnahmen berät.
Die falsche Signalwirkung
Sicher ist es notwendig, dass die Museen Energie sparen und in der Unterhaltung grundsätzlicher nachhaltiger.
Kunst und Kultur sollen auch mit gutem Beispiel vorangehen – keine Frage!
Aber eine völlige Abschaltung ist das falsche Signal.
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Fotos:
Die Staatlichen Museen zu Berlin – Hamburger Bahnhof – Dan Flavin 1996