Animierte Realität und magische Kräfte
LICHTE MOMENTE feiern im kommenden Dezember mit Projektionen von Till Nowak und Levi Jackson ihr zehnjähriges Bestehen in Osnabrück. Das Jubiläumsprogramm präsentiert sieben ortsspezifische Videos an unerwartet-versteckten Orten der Altstadt. Sie sind hervorragende Bespiele, wie in unserer digital durchdrungenen Gegenwart die Realität durch eine ständige Ausdehnung und Überlagerung optischer Eindrücke und Narrative – die unsere Sicht auf die Welt bestimmen – nicht nur reproduziert, sondern tatsächlich überschrieben werden. Nowak und Jackson stehen für ebenso subtile, wie auch für spannende Bilder – der Betrachter wird intuitiv sofort zur Interpretation herausgefordert!
Beide Künstler befragen in ihren kritischen Positionen die Grundlagen unserer Zivilisation und thematisieren unser Verhältnis zur Natur. So spielt die Landschaft bei beiden Künstlern eine wesentliche Rolle. Sie ist sowohl Ort des Geschehens, stellt sich aber zugleich auch als Interpretations- und Bezugsraum künstlerischen Handelns dar. Ob es die schneebedeckte Berg- und Fjordwelt Norwegens in einer langsamen, manipulierten, traumartigen Version von Till Nowak oder ein scheinbar an einer kargen Landschaft angekettetes Auto in einer der phantastischen Bildwelten von Levi Jackson ist – beide Künstler zeigen eindrucksvolle Bilder, die man so schnell nicht vergisst.
Till Nowak arbeitet an der Verbindung von realen und virtuellen Welten. So transferiert er vermeintlich filmisch-dokumentarische Elemente in einen fiktiv-erfundenen Zusammenhang im Sinne einer erweiterten Realität (Augmented Reality). Seine Projektionen verlassen nicht den Raum einer nachvollziehbaren Möglichkeitsform, dennoch zeigen sie täuschend echt physikalische Unmöglichkeiten. Die Fiktionen sind allerdings so wirklichkeitsnah produziert, dass der Betrachter staunend davorsteht und diese für existent halten möchte. In einem Kurzvideo erweckt Nowak einen Ausschnitt einer Fassade zum Leben. Als ob sie eigene magische Kräfte entwickelt hätte, wandert das Steinungetüm quer über die Straße, um sich dann — als sei nichts gewesen — in die gegenüberliegende Gebäudefassade zu integrieren.
Levi Jackson inszeniert analoge, konkret-arrangierte Handlungssituationen in weiten Landschaftsräumen, die im Ergebnis jedoch nur fragmentarisch gezeigt werden. Dabei handelt es sich um geheimnisvolle Szenen. Seine Motive gehen von realer Physik aus, verwandeln sich aber in ihrer Absurdität in irreale und unwirkliche Bilder, von umso stärkerer Wirkmacht. Ort des Geschehens ist eine atemberaubend schöne und trotzdem zugleich höchst karge Landschaft. Auf ihren ausgetrockneten, rissigen Böden spielen sich absurde Szene ab – die einsame Landschaft als Experimentierfeld. Die feine, fast ornamentale Struktur der Oberfläche der Erde und die arrangierten Szenen geben Rätsel auf. So spielt der Wind grotesk mit einem Wolfsfell. Das Tier selbst ist rätselhafterweise verschwunden – aber sein Fell wirkt höchst lebendig. Die Leichtigkeit der Bilder täuscht! Die Szene wird zum bitteren Kommentar, der Pelz ohne Körper und der Wolf ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Natur ist ohne Leben, nur Stein und Sand, Felsen und Himmel, es gibt keine Flora oder Fauna, die Landschaft dient lediglich als Kulisse – in ihrer reduzierten Ästhetik höchst eindrucksvoll.
Nowak und Jackson haben ein intensives Interesse an sarkastischer Manipulation. Ihre inhaltlichen Fokussierungen sind präzise nachvollziehbar, gerade weil sie auf beeindruckende Weise Unsichtbares sichtbar machen. Ihre Projektionen bieten künstlerische Neuschreibungen unserer Realität.
Die Kuratoren Valérie Schwindt-Kleveman mit Monika Witte und Prof. Claus Friede haben sich für eine Konzentration auf zwei herausragende Positionen zeitgenössischer Medienkunst entschieden. Insgesamt sieben Projektionen laden den Besucher auf einem Spaziergang in das Heger-Tor-Viertel, sowie am Felix-Nussbaum-Haus und an der Kunsthalle Osnabrück zur intensiven Wahrnehmung und Reflektion ein. Sie schaffen einen wohltuenden Kontrast zu den alljährlich wiederkehrenden Ritualen der Weihnachtszeit.
Öffentliche Führungen (ohne Anmeldung) finden jeden Sonntag um 17:00 Uhr statt.
Ein Flyer zur Videokunst ist in der Tourist Information erhältlich.
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Bildunterschriften:
im slider:
Levi Jackson | Esterbend, 2014 Single Channel Video, 3:30, Still
im Text:
Till Nowak | SUS, 2011 | Video, 3:02, Still. Musik: PJUSK | Courtesy: Claus Friede*Contemporary Arts, Hamburg
Till Nowak | The Experience of Fliehkraft, 2011 | High Altitude Conveyance System | Video, 2:48, Still | Courtesy: Claus Friede*Contemporary Arts, Hamburg | wird unter dem Ausstellungstitel “Lucky Lifeforms” in der Kunsthalle gezeigt.
Levi Jackson | Proving Grounds, 2014 | Single Channel Video, 2:46, Still
Levi Jackson | Black Rain, 2013 | Single Channel Video, 5:32, Still