Lichter, Luther, Laster und luftige Höhen
In Stendal begann alles mit einer Fälschung: Eine angeblich von Kaiser Heinrich II. 1022 ausgestellte Urkunde, in der das Dorf Steinedal unter den Besitzungen des Michaelisklosters in Hildesheim erscheint, ist eine Fälschung aus dem 12. Jahrhundert. Trotz allem erhielt das Dorf im Jahr 1160 Markt- und Stadtrecht. Und tatsächlich, Stendal entwickelte sich prächtig. Im 13. Jahrhundert gründeten reiche Kaufleute die Stendaler Seefahrergilde, die sich im 14. Jahrhundert der Hanse anschloss. Die Wirtschaft florierte.
Die Stendaler Lichttage sind aber keine Fälschung oder ein Betrug, sondern finden in diesem Jahr tatsächlich zum dritten Mal statt. Die Stendaler Lichttage sind eine Initiative der H. und H. Kaschade Stiftung. Zweck der 1994 gegründeten Stiftung ist die Förderung der internationalen Beziehungen in Stendal sowie der Altmark – in erster Linie in Hinblick auf Bildung und Kultur.
Ingo Wendt – Kleine Markthalle
Hier arbeiten zwei Projektionsmaschinen von Ingo Wendt (*1964, Schorndorf). Sein „Ornament Generator“ und sein „Lichtgemälde“ sind sowohl von drinnen, als auch von draußen zu betrachten. Drehende Elemente sind mit Farb,- und Schattenflächen versehen und werden durchleuchtet, ähnlich, wie bei einem Kaleidoskop. So entstehen immer wieder neue Farbflächen, die sich stetig, aber langsam wiederholen. Wendt arbeitet mit klassischen Glühlampen, Linsen, Gläsern, Spiegeln und Motoren – für Liebhaber klassischer Mechanik die reine Freude.
Detlef Hartung und Georg Trenz – Dom St. Nikolaus
Im Dom spielt das Duo Hartung/Trenz mit dem Wortschatz Martin Luthers in einer raumgreifenden Projektion. Seit über zwanzig Jahren arbeiten (*1958, Caracas) und Georg Trenz (*1962, München) mit Licht und gelten als Pioniere in der medialen Kunst. Ihre Projektion im Dom schreibt der gotischen Backsteinarchitektur Wörter und Textzeilen ein, erkundet und ordnet sie neu, bringt sie zum Schwingen, löst sich in Buchstabenstrukturen und Textwolken auf, um sich erneut zu lesbaren Begriffen zusammen zu finden.
Sonja Sofia Yakovleva – Kreuzgarten Dom
Zu allererst ist Sonja Sofia Yakovleva (*1989, Potsdam) Illustratorin. Mit schwarzer Tusche zeichnet sie surreale Welten von höchst erzählerischer Qualität auf Papier. Für den Kreuzgarten des Domes bereitet Yakovleva groß dimensionierte Scherenschnitte vor, die ein Schlaglicht auf die Zeit vor der Reformation werfen: Sünde, Schuld, Hölle und Fegefeuer werden in einer schwarz-weißen Bilderwelt verarbeitet, intensive Kontraste erzeugen eine starke Wirkung.
Theater der Altmark – Kapitelsaal Dom
Die Gedankenwelt von Reformation und Aufklärung verarbeitet das Theater der Altmark unter dem Titel ‚Du sollst nicht töten‘ in einer Wort-Raum-Installation. Schauspieler lesen Passagen aus der Bibel, dem Koran oder den Buddha-Überlieferungen, die sie inhaltlich Auszügen aus dem Grundgesetz und der Menschrechtskonvention gegenüber stellen.
Elvira Chevalier – Westwall
Elvira Chevalier (*1982 Tschuj, Kirgisistan) beschäftigt sich mit der Formensprache von Bäumen. „Triangulation 1.0“ heißt ihre erste Arbeit, die mit leuchtenden Schnüren die krummen und schiefen Linien von Ästen ungewohnt sachlich interpretieren. Die Querverbindungen erzeugen eine tiefe Räumlichkeit, lassen diese jedoch auch wieder in die Flächigkeit zurückfallen. Durch den Einsatz spezieller UV-Scheinwerfer entstehen sinnliche Bilder.
Judith Rautenberg – St. Annenstift
In ihrer Installation mit Licht und Video fasst Judith Rautenberg (*1982, Ebersberg) die kleinen quadratischen Scheiben der Giebelfenster als Bildpunkte, als Pixel auf. Die sensorischen Impulse wecken dabei diffuse, auf emotionaler Ebene wirkende Erinnerungen. Geräusche werden eingespielt, die für diesen Ort und Anlass komponiert sind, dabei geht es nicht um Musik, sondern um den Raum zwischen den Tönen.
Künstlerischer Leiter der Lichttage ist Herbert Cybulska (*1956, Coesfeld). Er arbeitet seit 1982 als Lichtdesigner, zunächst für die Bühne, seit 2006 konzipiert er auch Lichtinstallationen weltweit.
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Bildunterschriften:
Im Slider:
2015 | Marienkirche Stendal. Eine Kirche wir im Dörnröschenschlaf von vielen hundert Jharen. In Szenen illuminiert konnte der Besucher sie lesen wie ein Buch. Eine Komposition von Sebastian Studnitzky – live performt von einem Kammerorchester mit Solisten – öffnet nicht nur Ohren, auch Augen für die Architektur, die von Erneuerungen und Renovierungen fast vollständig verschont blieb. Licht und Regie: Herbert Cybulska, Komposition: Sebastian Studnitzky
im Text:
2015 | Helge Leiberg malte live auf Overheadprojektoren Szenen der wechselvollen Geschichte der Plattenbauten am Stadtsee – eine Geschichte vom Erholungssee und Tiergarten in den 1920er Jahren, aber auch von den Anstrengungen, das größte Kernkraftwerk Europas zu bauen. DJ Release und der Komponist Matthias Raue erzählen zur Malerei die Geschichte in Tönen. Malerei: Helge Leiberg, Licht: Ralf Linder, Konzept und Regie: Herbert Cybulska
2016 | Bei Alstom in Stendal werden alte DDR Dieselloks in moderne Hybridlokomotiven umgebaut. Manche entwickelt unter der Haube ein sehr eigenes Gesicht. Werkhalle und Montagehalle wurden illuminiert | Licht: Ralf Linder, Konzept und Regie: Herbert Cybulska
2015 | Marienkirche Stendal. Eine Kirche wir im Dörnröschenschlaf von vielen hundert Jharen. In Szenen illuminiert konnte der Besucher sie lesen wie ein Buch. Eine Komposition von Sebastian Studnitzky – live performt von einem Kammerorchester mit Solisten – öffnet nicht nur Ohren, auch Augen für die Architektur, die von Erneuerungen und Renovierungen fast vollständig verschont blieb. Licht und Regie: Herbert Cybulska, Komposition: Sebastian Studnitzky
2015 | Helge Leiberg malte live auf Overheadprojektoren Szenen der wechselvollen Geschichte der Plattenbauten am Stadtsee – eine Geschichte vom Erholungssee und Tiergarten in den 1920er Jahren, aber auch von den Anstrengungen, das größte Kernkraftwerk Europas zu bauen. DJ Release und der Komponist Matthias Raue erzählen zur Malerei die Geschichte in Tönen. Malerei: Helge Leiberg, Licht: Ralf Linder, Konzept und Regie: Herbert Cybulska