Lichtparcours 2020 :: Braunschweig | Modellausstellung

Ausstellung | 23. Mai 2019 – 2. Juni 2019

Poetische Momente des Innehaltens und Reflektierens

16 internationale Künstler*innen sind eingeladen, künstlerische Interventionen für den Braunschweiger Stadtraum zu entwickeln. Der erste Lichtparcours wurde parallel zur Expo in Hannover im Jahr 2000 in Braunschweig ausgerichtet. Jetzt wird für Sommer 2020 der 5. Lichtparcours vorbereitet. Die Modellausstellung ist der erste Meilenstein für den Lichtparcours im Sommer 2020.

Die Licht-Installationen bewirken poetische Momente des Innehaltens und Reflektierens in einem zumeist lauten und hektischen Stadtleben. Anders formuliert, sind die Positionen Zeugnis für eine Art Traumraum für Phantasien, die zu allen Zeiten ihren Platz haben müssen.

Teilnehmende Künstler*innen:

Nevin Aladağ
Dafni Barbageorgopoulou
Benjamin Bergmann
Tim Etchells
FORT & Anna Jandt
Martin Groß
Sven-Julien Kanclerski
Brigitte Kowanz
Lotte Lindner & Till Steinbrenner
Bjørn Melhus
Heike Mutter & Ulrich Genth
Anselm Reyle
Paul Schwer
Julian Turner, Florian Pfaffenberger & Andreas Harrer
Johannes Wohnseifer
Joseph Zehrer

Temporäre Lichtkunst im öffentlichen Raum :: 16 Künstler – 16 Positionen

Der öffentliche Raum wird einerseits zum Schauplatz neuer künstlerischer Positionen – aber die Kunst eignet sich diese urbanen Lebenswelten auch an, transformiert sie, verwandelt unsere Wahrnehmung und den Blick auf altbekannte Orte im Stadtraum. Im Sinne einer Reminiszenz an den 1. Parcours werden die Kunstwerke im nächsten Jahr an der Oker oder in ufernahen Bereichen positioniert. Die Innenstadt Braunschweigs wird seit Jahrhunderten maßgeblich durch die begrenzende und topographisch dominierende Okerumflut geprägt. So spielt die Oker und das Wasser in sechs Positionen eine zentrale Rolle.

Das Wasser – die Meere und die Oker

Benjamin Bergmann macht das alljährliche Hochwasser in Venedig zum Thema und weist auf deutlich spürbare Zusammenhänge geographischer und klimatischer Veränderungen hin. So stellt der Künstler zwischen Braunschweig an der Oker und Venedig an der Adria eine narrative Verbindung her. – Auch Sven-Julien Kanclerski thematisiert den Klimawandel und stellt eine experimentelle Materialrecherche vor. Er geht formalen Möglichkeiten von Recyclingprozessen auf die Spur und referiert auf das in den Ozeanen treibende Plastik.

FORT & Anna Jandt versenken Straßenlaternen »bis zum Hals« in der Oker. Die mitschwingende Dramatik verliert sich an der Grenze der Glaubwürdigkeit und wandelt sich zu einer geheimnisvollen und epischen Szene. Insbesondere im nächtlichen Zusammenspiel von Licht und spiegelnder Wasseroberfläche entfaltet sich der zunächst dystopische Eindruck zur poetischen Assoziation.

Joseph Zehrer überträgt Unterwassertöne über ein Hydrophon im und auf dem fließenden Wasser der Oker und erzeugt unterschiedliche Lichtsignale in Leuchtkugeln. Tiere oder Bootsmotoren aktivieren das Licht unterschiedlich stark und bei einem Sommerregen entsteht eine Lichtsymphonie der Unterwassertonwelt.

Lotte Lindner & Till Steinbrenner projizieren einen Film auf eine Großfassade. Von der Dachkante her ergießt sich ein scheinbar fließendes Gewässer und man sieht eine ruhig, aber beharrlich gegen den Strom rudernde Frau. Es ist Hinweis auf den Mythos des Sisyphos, dessen ertraglose Arbeit darin besteht, sich beharrlich aufzureiben, aber doch immer auf derselben Stelle stehenzubleiben, ohne je ein Ziel zu erreichen. Aber kann dies nicht auch eine Vorstellung von Glück sein? Über die Dächer der Stadt Braunschweig hinweg weithin sichtbar wird die Ruderin zum Sinnbild des voranstrebenden Menschen – ohne Gewissheit auf Erfolg, aber aus eigener Kraft heraus glücklich? – Ganz anders inszeniert Bjørn Melhus eine tragikomische Szene und verhandelt eine Form des Hedonismus. Er lässt ein von innen bunt leuchtendes Auto halb in der Oker versinken aus dem fortlaufend dumpfe Techno-Rhythmen erklingen. Was ist hier passiert? Einerseits erscheint die Installation als eine Art Mahnmal, das die Frage aufwirft, wer die Verantwortung übernimmt.

In Wechselwirkung zu topographischen Gegebenheiten

Paul Schwer lässt eine leuchtende Farbkomposition entstehen, deren strahlende Flächen als farbige Schatten die sie umgebende herrschaftliche Architektur des Herzog Anton Ulrich-Museums und des Museums für Photographie kontrastieren. – Auch Brigitte Kowanz markiert mit treppenstufenartig angeordneten, strahlend weiß leuchtenden Neonröhren einen zusammenhängenden Raum, durch den die Besucher*innen hindurch laufen und von verschiedenen Blickwinkeln immer wieder neu wahrnehmen können. Das Licht wird zum Kommunikationsmittel, ebenso wie zum Code. – Anselm Reyle dagegen arbeitet mit bunt leuchtenden Neonröhren. Ein kuppelartiges 3D-Informel entfaltet sich unter einem Blätterdach im Park. Die verschiedenen Ebenen werden zu leuchtenden Ornamenten, deren ästhetische Präsenz auch in der bewussten Provokation des klassischen Klischee- und Kitschbegriffs aufgeht.

Wort und Text im Licht

Ein etwa 15 Meter langer Schriftzug von Tim Etchells mit den verschiedenfarbig leuchtenden Wörtern WINNER, ALL und TAKES blinkt abwechselnd verschiedene Versionen. Die zeitliche und inhaltliche Verschiebung intensiviert das Gedankenspiel um die einzelnen Worte und evoziert Fragen nach dem GeWINNER und dem Gewinn. Und der anderen Seite: dem Verlierer und seinem Verlust von ALLem. – Auch TIRED EYES ist eine textbasierte Installation mit LED-Scrollingboards und ist vermeintlich als organisiertes Chaos arrangiert. Ähnlich wie Newsfeeds laufen eigene Texte und Zitate zeitgleich in unterschiedlichen Richtungen und Geschwindigkeiten über digitale Bildschirme. Unsynchronisiert scheinen die diversen Informationen keinem klaren narrativen Strang zu folgen, sondern funktionieren vielmehr assoziativ wie digitale Gedichte, Dialoge und kommentieren sich gegenseitig.

Unter Beobachtung – im Schlaf – im Rausch

Facelift von Heike Mutter & Ulrich Genth ist eine Installation im Park. Scheinwerferpaare von Limousinen sind freistehend und auf denselben Höhen wie in den zugehörigen Fahrzeugen installiert. Wie beobachtende Augenpaare reagieren sie über Sensoren auf die vorbeiziehenden Passanten, die Teil einer Lichtdramaturgie werden, die sie selbst nicht kennen und kontrollieren können. – Dagegen spielt Johannes Wohnseifer damit, Objekte während des »Schlafens« zu beobachten. Das Bild der nachts im Park schlafenden Laternen steht im Gegensatz zu der üblichen Betrachtungsweise von tagsüber »ruhenden« und in der Dunkelheit »arbeitenden« Laternen. – Julian Turner, Andreas Harrer und Florian Pfaffenberger konstruieren eine Bararchitektur, der als sozialer Ort genutzt werden kann und dem Rausch huldigt. – Nevin Aladağ zeigt in ihrer Installation, dass sich der öffentliche Raum auch als Ort entpuppen kann, an dem vermehrt Privates verhandelt und damit zum Teil des politischen und sozialen Miteinanders wird. – Dafni Barbageorgopoulou stellt eine Serie von illuminierten Fahrrädern her, die von den Besuchenden des Lichtparcours 2020 ausgeliehen werden können. Die Fahrräder sind mit abstrakten formalen Applikationen versehene Sonderanfertigungen und leuchten im Dunkeln. Die durch den Stadtraum radelnden Besucher dynamisieren das abendliche Stadtbild.

Was ist zu erwarten?

Die 16 Positionen lassen sich in ihrer Vielfältigkeit kaum zusammenfassen. Dennoch wird deutlich, dass vernachlässigte urbane Räume ebenso wie kleine Naturlandschaften, Brücken oder Gewässer, Baustellen, Industriebrachen und architektonische Ensembles höchst inspirierend sein können. In der Rezeption können wir immer wieder ein ambivalentes Spiel von poetischer Schönheit oder bedrohlichem Unbehagen erwarten. Manche Installationen antworten mit einer recht speziellen absurden Komik, in der das Fragmentarische, Destruktive und Verwirrende eine zentrale Rolle spielt. Einige Arbeiten kommen leicht und spielerisch daher, um dann in der weiteren Auseinandersetzung eine in die Tiefe gehende, gewisse Instabilität in der Rezeption auslösen. So entsteht eine skurrile Atmosphäre, in der Stile gemixt und Codes verschoben werden.

Die Entwürfe werden vorgestellt

Die Modellausstellung des kommenden Lichtparcours stellt Skizzen, Modelle, Filmstudien und verwandte Arbeiten der Projektvorhaben vor. Auch der geplante künstlerische Arbeitsprozess wird offengelegt.

Sie möchten den Lichtparcours 2020 durch eine Spende unterstützen?

Alle Spenden fließen direkt und in vollem Umfang in die Realisierung der künstlerischen Arbeiten.

Spendenkonto für den Lichtparcours 2020
Stadt Braunschweig – Dezernat für Kultur- und Wissenschaft
IBAN: DE21250500000000815001
Betreff: Lichtparcours 2020

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Bildunterschriften :

im Slider:
| Anselm Reyle |  Modell: Untitled |  Visualisierung: Studio Anselm Reyle

im Text:
| Benjamin Bergmann |  Entwurf: Aqua Alta |  Visualisierung: Benjamin Bergmann
| Bjørn Melhus |  Modell: THE BEAT GOES ON! |  Visualisierung: Bjørn Melhus
| Paul Schwer |  Modell: Die Wärterin |  Foto: Paul Schwer
| Tim Etchells |  Entwurf: TAKES ALL |  Visualisierung: Tim Etchells
| Mutter/Genth |  Entwurf: Facelift |  Visualisierung: Mutter/Genth
| Nevin Aladağ |  Colors (seit 2008) |  courtesy: Nevin Aladağ |  Foto: Trevor Good
| Dafni Barbageorgopoulou |  Entwurf: Swans |  Visualisierung: GRAU Visuals